Das Bündnis für ein Sanktionsmoratorium begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Überprüfung und Neuberechnung des Regelsatzes für Arbeitslosengeld-II-Berechtigte und damit des Existenzminimums in Deutschland.

„Das Urteil will dem vernachlässigten Sozialstaatsgebot und dem beschädigten Würdeartikel im Grundgesetz nachhaltig zur Geltung verhelfen“, so die Einschätzung des Sozialethikers Franz Segbers im Bündnis. „Auf eine vollständige Berücksichtigung des notwendigen Lebensunterhalts und eines nachvollziehbaren Verfahrens haben Erwerbsloseninitiativen, Wohlfahrtsverbände und Wissenschaftler seit Einführung der Hartz-Gesetze gedrängt: Wie viel Geld braucht ein Mensch fürs physische Überleben, wie viel braucht er für die gesellschaftliche Teilhabe und wie wird der Betrag ermittelt“, so Helga Spindler, Sozial- und Arbeitsrechtsexpertin im Bündnis. „Gesetzgeber und die Regierung werden vom Bundesverfassungsgericht aufgefordert, durch fundierte Untersuchungen und Regelungen das soziokulturelle Existenzminimum sicher zu stellen“, so Segbers.

„Wir fürchten aber, dass die Politik weiterhin bei den existenzsichernden Leistungen auf Kosten erwerbsloser Menschen sparen will und im Falle der gebotenen Erhöhung der Regelsätze andere Wege suchen wird“, so der Sozialethiker weiter, „Steuergeschenke und Rettungspakete für Banken finanzieren sich nicht von selbst.“

Seit Wochen erleben wir eine unsägliche Kampagne gegen Erwerbslose, die auch die Verschärfung von Sanktionen vorbereiten soll. Ministerpräsident Koch kritisiert die angeblich langen Verzögerungsmöglichkeiten, die Betroffene durch Einsprüche und Klagen gegen Sanktionen hätten, sowie die regelmäßig zu beobachtende Aufhebung der Sanktionen durch Sozialgerichte, was nichts anderes bedeutet, als dass die rechtsstaatliche Kontrolle von sanktionierenden Behörden abgeschafft werden soll. „Dann können wir durch Kürzung der Regelsätze und im weiteren vermutlich der Wohnkosten beliebig in Trainingsmaßnahmen, „Sofortangebote“ oder in andere Formen prekärer Arbeit gepresst werden“, so Claudia Daseking aus einer der Betroffenenorganisationen im Bündnis.

Diese Zielsetzung der Hartz-Gesetze wird weiter verfolgt, nämlich die Kosten des Sozialsystems und gleichzeitig das Lohnniveau in den unteren Einkommensschichten zu senken, und daran ändert auch der heutige Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts nichts. Die Entrechtung der Erwerbslosen nimmt zu, insbesondere der jungen Menschen unter 25 Jahren, bei denen die 100%ige Kürzung schon bei kleinsten Verfehlungen greift, während es weiterhin an Ausbildungsplätzen und akzeptablen Bildungsbedingungen fehlt.

Notwendig ist eine gesellschaftliche Debatte über einen Umgang mit Erwerbslosen, der einer sozialen und demokratischen Gesellschaft angemessen ist. Das Bündnis fordert deshalb weiterhin, die Sanktionen sofort auszusetzen.

Kontakt:
Prof. Dr. Franz Segbers (Tel. 069 / 7947-242, Mobil 0160/9057 3904); Prof. Dr. Helga Spindler, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Claudia Daseking (Tel. 030 / 788 91 992; Mobil: 0172 / 38 181 53) (für das Bündnis für ein Sanktionsmoratorium  –  www.sanktionsmoratorium.de)