breite und vielfältige Proteste gegen Verdachts- und Bagatellkündigungen - Kaisers’-Tengelmann AG schweigt
Bundesweit hat der Fall „Emmely“ Empörung ausgelöst: Nach 31 Jahren Betriebszugehörigkeit hatte die Kaisers’-Tengelmann AG Anfang 2008 die Kassiererin „Emmely“ gekündigt – wegen des Verdachts, einem Kunden gehörende Pfandbons im Gesamtwert von 1,30 Euro eingelöst zu haben. Das Unternehmen hat dabei keinerlei wirtschaftlichen Schaden erlitten, denn das Flaschenpfand wird vorher von den Kunden abkassiert. Aber es hatte auf diese Weise einen willkommenen Anlass, eine aktive Gewerkschafterin loszuwerden.
Die Kündigung sei „ungerecht und herzlos“, so die VerfasserInnen eines „Offenen Briefs“, mit dem rund 400 UnterzeichnerInnen nun erklären, warum sie dem Unternehmen ihr „Kundenverhältnis gekündigt“ haben. (Siehe Anhang) Sie warnen Kaisers’-Tengelmann davor, sich an den skandalösen Praktiken, wie sie bei Discountern wie Lidl und Schlecker bekannt geworden seien, zu orientieren und wollen die Läden „bis zur Wiedereinstellung von Emmely“ boykottieren. Bislang schweigt die Kaisers’-Tengelmann AG, die mit dem Slogan „Hier schlägt das Herz“ für ihr umwelt- und verbraucherfreundliches Firmenimage wirbt, zu den Vorwürfen, doch die Proteste nehmen zu: Unter dem Motto „Wir sind alle Emmely“ zeigten TeilnehmerInnen der Demonstration des DGB am 16. Mai, was sie von solchen Unternehmenspraktiken halten und wiesen auf die Vielzahl von Betroffenen solcher „Verdachtskündigungen“ hin. Die Gewerkschaft ver.di unterstützt die Verfassungsbeschwerde von Emmely gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichtes, parallel dazu hat ein „Unterstützungskomitee für Emmely“ eine Online-Petition im Bundestag eingereicht, die zu einer parlamentarischen Befassung mit den juristischen Grundlagen von „Verdachts- und Bagatellkündigungen“ und einer Änderung der deutschen Arbeitsgesetzgebung führen soll.
Hintergrund: Dass solche „Verdachtskündigungen“ möglich und – wie in diesem Fall - erfolgreich sind, ist ein Resultat der bisherigen Arbeitsrechtssprechung: Anders als im Strafrecht gibt es im deutschen Arbeitsrecht keine Bagatellgrenzen, und die Unschuldsvermutung gilt nur eingeschränkt. Unabhängig von der Schadenshöhe muss faktisch der Verdächtigte seine Unschuld beweisen, wenn das Vertrauensverhältnis aus Sicht des Arbeitgebers gestört ist. Praktisch ist diese Beweislastumkehr in vielen Fällen unmöglich und wird daher auch immer wieder genutzt, um engagierte Beschäftigte loszuwerden, die Ihr Recht auf Interessenvertretung und ihre Arbeitsrechte wahrnehmen.
„Emmely“ ist deshalb kein Einzelfall. Seit Jahren klagen GewerkschafterInnen über dieses arbeitsrechtliche Instrument, mit dem Arbeitgeber unbequeme Beschäftigte bequem kündigen und so die gerade im Einzelhandel dringend benötigte Interessenvertretung unterlaufen können. Auch ehemalige DDR-Bürgerrechtler haben sich zu Wort gemeldet und das Rechtsinstitut der Verdachtskündigung als „Unrechtsjustiz“ bezeichnet, das es „im 20. Jahr der demokratischen Revolution in der DDR“ abzuschaffen gelte. (S. express, Nr. 3/2009)
Während eine wachsende Zahl von solidarischen Unterzeichnern der Boykotterklärung im Interesse von Emmely und vieler anderer Kaisers’- und Tengelmann-Beschäftigter weiter an das Unternehmen appelliert, „zur Vernunft zu kommen“ und die Kündigung zurück zu nehmen, sehen die Initiatoren der Bundestags-Petition, Emmely und ihr Anwalt Benedikt Hopmann mit Spannung dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und der Entscheidung des Bundestags-Petitionsausschusses entgegen, die für Anfang Juni erwartet wird.
Für Rückfragen:
Anton Kobel (ehem. Geschäftsführung ver.di Rhein-Neckar): Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Tel. (06221) 433 73 73
Kirsten Huckenbeck (Redaktion „express“): Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Tel. (069) 67 99 84