Auf der technischen Spielwiese

Am Anfang stand die Krise. Intershop aus Jena geriet in Schwierigkeiten. Der eCommerce-Dienstleister galt bis dato nahezu als Synonym für den futuristischen JenTower in der Innenstadt. Der wurde 1972 als sozialistisches Wahrzeichen gebaut und ist mit seinen 160 Metern heute noch das höchste Bürogebäude Ostdeutschlands. Um das Unternehmen zu sanieren, standen Restrukturierungen – sprich: Entlassungen – an. Einige der ehemaligen Intershop-Mitarbeiter gründeten eigene, kleine Unternehmen im IT-Bereich, weitere kamen bald hinzu. Ihnen wurde klar: Sie wollten zusammen arbeiten, Synergien bündeln. Die Frage war nur: In welcher Form?

Ein Verein war zu unverbindlich. Eine gemeinsame GmbH zu hierarchisch –schließlich wollte jeder sein eigener Chef bleiben. Eine Genossenschaft schien die richtige Form zu sein, „um sich gegenseitige Unterstützung zu geben bei gleichzeitig größtmöglicher persönlicher Freiheit“, wie Towerbyte-Vorstand Reinhard Hoffmann sagt. Eine fast vergessene, verstaubt anmutende Rechtsform und New Economy? „Eine Genossenschaft kann als Kapitalgesellschaft ernsthafter Gesprächspartner sein – zum Beispiel bei der Anmietung von Geschäftsräumen –, um gute, flexible Konditionen zu bekommen. Da ist Schwungmasse schon wichtig“, sagt Reinhard Hoffmann. „Es ging darum, sich gegenseitig dabei zu helfen, wahrnehmbar zu werden.“
Der Kicker in der Teeküche, die frechen englischen Firmennamen an den Türen der Jungunternehmer, der Geist einer innovativen, technologischen Spielwiese, der professionell-flapsige Umgang miteinander: In Jena passt all das unters genossenschaftliche Dach. „Inzwischen ist eine Genossenschaft ja schon wieder etwas Nonkonformistisches. Das reizt uns natürlich auch“, sagt Reinhard Hoffmann.

Kooperation statt Einzelkämpfertum, so kann man auch leichter Geld verdienen. Dazu gehört auch, einen Vertrauensvorschuss zu leisten, ein junges Unternehmen erst einmal wachsen zu lassen. Sich helfen heißt außerdem, Kunden weiterzuempfehlen. Kontakte weiterzugeben. Informationen austauschen. Ehrlich miteinander zu bleiben, auch wenn ein Projekt mal nicht gut läuft.
Neben dem inzwischen sanierten Intershop ist heute auch die Towerbyte eG mit ihren 28 Firmen und 320 Beschäftigten im JenTower zuhause. Die Genossenschaft selbst arbeitet ehrenamtlich, für sein Unternehmen bleibt jeder selbst verantwortlich. Gemeinsame Sache wird gemacht, wenn es um Weiterbildungen, Veranstaltungen und den Informationsfluss geht.

Die Mitglieder von Towerbyte bauen Online-Shops auf oder mobile Applikationen, mit denen man sich Informationen aufs Handy schicken lassen kann. Sie erfanden ein Bonus-System für Interneteinkäufe, das ähnlich wie Payback funktioniert, küren jeden Tag ein besonders günstiges Produkt im Netz zum „Preisbock“, bieten Beratung, Projektmanagement und viele weitere Dienstleistungen an. Weitere Kandidaten gehören vielleicht bald zur Familie. Ein Anwalt für Internetrecht und ein Webdesigner haben sich schon mal im JenTower angesiedelt. Womöglich werden sie bald Genossen.

www.towerbyte.de

aus: Aktion Mensch Das Magazin 2.2009